Bericht aus der Praxis: Thema Schweigepflicht

Immer wieder passiert es, dass Angehörige von KlientInnen in meiner Praxis mich kontaktieren, um zu wissen, wie es dem/derjenigen geht, was falsch läuft, was ich mit der betroffenen Person unbedingt zu bearbeiten hätte usw.

Meist sind es Menschen, die besorgt, ratlos sind, die sich selbst hilflos fühlen, die Veränderungen (oder eben keine) bei der betroffenen Person spüren und nicht wissen, wie sie selbst damit umgehen sollen.
Manchmal geht es auch darum, die Kontrolle zu bewahren, manchmal werden von anderen die Kosten übernommen und daraus das Recht abgeleitet, auf dem Laufenden gehalten zu werden usw.

Es gibt viele Gründe, warum sich Angehörige/Partner/Freunde von KlientInnen bei mir melden. Manchmal wird auch nach Personen gefragt, die gar nie (oder schon lange nicht mehr) zu mir in die Praxis kommen…

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Der Haken ist: Ich darf keine Auskunft geben! In der psychologischen Arbeit ist die Schweigepflicht das non-plus-ultra.

Wie sollen Menschen, die zu mir kommen mit oftmals großen Problemen, Schwierigkeiten, Hemmungen, Ängsten, Unsicherheiten, ja auch Geheimnissen, sich öffnen, wenn sie nicht unbedingt sicher sein können, dass alles, was wir besprechen, auch unter uns bleibt? Das ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit, wir sind als PsychologInnen sogar gesetzlich dazu verpflichtet.

Wir dürfen keine Auskunft über unsere KlientInnen geben, nicht am Telefon, nicht per Email, nicht den engsten Angehörigen – gar nicht! Ich darf nicht einmal bestätigen, dass jemand zu mir kommt oder wann und wie oft, geschweige denn dürfte ich mitteilen, worüber gesprochen wird, wie eine Beratung oder Therapie im konkreten Fall aussieht.

Auch bei Coachings oder Supervisionen, die über Firmen verrechnet werden, für die vom Arbeitgeber ein Budget zur Verfügung steht (was glücklicherweise immer öfter der Fall ist), darf ich anderen keine Auskünfte geben. Jede/r, der zu mir kommt, kann sicher sein, dass alles vertraulich bleibt, was in der Praxis besprochen und erarbeitet wird. Lediglich über die Rechnungslegung wird im Bedarfsfall dem Arbeitgeber rückgemeldet, wann und wie oft ein/e Klient/in zu mir kommt. Das wird jeweils im Erstgespräch geklärt. Manchen Menschen ist es allerdings trotz Finanzierungsmöglichkeit einer Supervision über die Firma angenehmer, wenn sie die Kosten selbst übernehmen können und der Arbeitgeber nichts davon weiß.

Die Schwierigkeit, die sich im privaten Behandlungs/Beratungssetting auftut, ist nun, dass auch Angehörige oftmals Unterstützung oder zumindest Information brauchen. Manche leiden mit ihren Angehörigen mit und wissen selbst nicht, wie sie sich verhalten sollen.

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Drei Möglichkeiten gibt es dazu aus meiner Sicht: Entweder sucht man sich selbst kompetente Unterstützung bei einem Profi (aber eben einem anderen) – und sei es nur für ein klärendes Einzelgespräch. Oder man bittet den/diejenige/n, der in die psychologische Praxis geht, einmal mitkommen zu können. Wenn das für beide passt, ist es durchaus möglich (und oft auch hilfreich), wobei klar sein muss, dass der Fokus weiter bei der Einzelberatung oder Einzeltherapie bleibt und sich daraus keine Paarberatung ergeben kann. Auch das sollte vorweg im Einzelfall besprochen werden.

Darüber hinaus gibt es einen österreichweiten Verein, HPE (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter), der sich als Anlaufstelle für die Fragen und Sorgen und Nöte von Angehörigen von psychisch erkrankten Menschen etabliert hat. Hier kann sich jede/r Unterstützung und Information rund das Thema psychische Erkrankungen holen und findet auch Austausch und Gesprächsmöglichkeiten mit anderen betroffenen Angehörigen. Info: HPE Steiermark, Tummelplatz 9, 8010 Graz, Tel.: 0316 81 6331