
Corona – ein ganz normaler Tag
Es ist Frühling… und es hat über Nacht geschneit! Das erste Mal in diesem Jahr. In diesem Winter darf ich nicht sagen, weil der ja bereits vorbei ist – ohne Schnee! Heute Morgen dagegen lag eine dünne Schneeschicht auf Bäumen und Dächern und den geparkten Autos. Im Lauf des Tages ist sie zwar weggeschmolzen. Das trübe, graue, unfreundliche kalte Wetter ist geblieben.
Noch immer herrscht Corona-Ausnahmezustand. Manchmal muss ich mich aktiv daran erinnern. Oder einfach Nachrichten hören. Es fehlen Menschen in der Pflege, im Gesundheitsbereich. Die Wirtschaft bricht zusammen. Es braucht Schutzmasken und Schutzanzüge, um die sich die ganze Welt gerade reißt. Viele Menschen sind arbeitslos geworden, wissen nicht mehr, wovon sie leben sollen. Landwirte suchen Personal für die Ernte, fürs einlagern, verpacken, zustellen. Das Liefern und Zustellen boomt gerade. In den Flüchtlingscamps ist Alarmstufe Rot. Wenn das Virus hier Einzug hält, kommt es zur nächsten Katastrophe.
Und dann gibt es die andere Seite: Die Natur erholt sich gerade. Die Luft ist klar, das Wasser wird wieder sauber, die Tierwelt kann aufatmen. Menschen und Tätigkeiten, die bislang unbemerkt, un- oder unterbezahlt am Rand der Bedeutungslosigkeit standen, sind jetzt die Helden, die Stützen unserer Gesellschaft: Landwirte, Bauern, Bäcker, Supermarktverkäufer und Kassiererinnen, Pflegepersonal, Müllmänner, Reinigungskräfte, LKW-Fahrer, Zusteller – alle, die dafür sorgen, dass unser Leben weitergehen kann. Dass wir genug zu essen haben, weiterhin ein Dach über dem Kopf haben, dass wir medizinisch versorgt werden, fließend Wasser und Strom haben.
Wie plötzlich sich die Wertigkeiten ändern. Wie klar mit einem Male ist, was wichtig und bedeutsam ist, was zählt im Leben.
Ich sitze bei meinem Schreibtisch und schaue beim Fenster hinaus. Die Welt hier ist ruhig geworden. Die Straße ist leer, nur vereinzelt ein Auto, gelegentlich ein Spaziergänger. Die Bäume sind noch unbelaubt, kahl. Einzelne Büsche setzen Farbtupfer in knalligem Gelb. Es ist Donnerstag Nachmittag. Ein ganz normaler Tag… könnte man meinen. Dann drehe ich wieder das Radio auf.
