Essay & so

Huch, die Falten kommen …

(Veröffentlicht: Klipp, 2010)

 

Warum bereitet uns niemand darauf vor? Dass wir älter werden! Gut, das wissen wir schließlich. Theoretisch. Aber dass wir alle Anzeichen von „alt“ auch bei uns selbst wieder finden – das ist dann schon ein Schock. Das (!) sagt uns niemand. Alt und faltig sind schließlich bloß die anderen. Die Älteren. Die Senioren halt. Die, die uns immer ein paar Jährchen voraus sind. Da wundern wir uns jahraus jahrein, was der Markt so alles zu bieten hat – Cremchens aller Art gegen Fältchen und Falten aller Art, Anticellulitesalben, Botox, Verjüngungskuren, Fettwegpillen, von diversen chirurgischen Eingriffen im Dienste des Jungbleibens ganz zu schweigen – und immer wieder fragten wir uns verständnislos und selbstgefällig: wer braucht denn so was? Haben die Älteren das wirklich nötig? Kein Selbstbewusstsein? Außerdem, wenn man gut auf sich schaut, braucht man das alles sowieso nicht. Und wenn schon, dann in Würde altern.- von Angesicht zu Angesicht mit seinen Falten im Gesicht. Jaja…

Und plötzlich ist er da, der Tag, da erwischt es uns aus heiterem Himmel: ich werde alt! Die Fältchen um die Augen gehen nicht mehr als sympathische Lachfältchen durch, die gehen auch nicht mehr weg! Und obwohl wir eigentlich immer weniger essen und immer gesünder, bewusster, biologischer, auf zuviel Alkohol, Kaffee und sonstige Spaßmacher verzichten und beim Anblick von Sahnetörtchen nur mehr aus der Ferne seufzen – plötzlich wachsen unschöne Ringe um Taille, Oberschenkel, Arme – überall dort, wo sie absolut nichts verloren haben. Ja und dann (ganz unter uns): Cellulite macht sich breit, der kann man beim Sich-ausbreiten direkt zuschauen – die hat wohl noch nichts davon gehört, dass sie mit Sport nicht kompatibel ist? Diese unschönen Dellen entfalten sich ganz ungeniert, dass es einem den Bikini vergällt.

Die Haare werden sukzessive weniger (nicht an Beinen und Kinn, leider!), sondern am Kopf. Bei uns Frauen vielleicht nicht so rasch und auffällig wie bei den Herren, aber eben auch bei uns – das hat ja wohl wirklich keiner erwähnt. Graue Strähnen lassen sich noch dezent mit Farbe abdecken, aber zu wenige Strähnen – was bitte soll man denn da machen? Implantieren?

Ja, und dann, um die Reihe der altersbedingten Verwitterungserscheinungen noch ein klein wenig zu ergänzen: Hängebäckchen, Doppelkinn, seltsame Flecken auf Handrücken, Armen, Schultern bis hinein ins Dekolletee – nein, keine dieser bezaubernd kecken Sommersprossen, das sind astreine Altersflecken! Die Schrift auf Verpackungen, am Bildschirm, in Büchern und Zeitschriften schrumpft beinahe im Monatsrhythmus– von den Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Stimmungsschwankungen ganz zu schweigen.

Als ich mich letztens aus irgendeinem Grund über einen Spiegel gebeugt habe, ist mir vor Entsetzen fast das Herz stehen geblieben – das kann doch nicht ich sein – die einst jugendlich-straffen Gesichtszüge hängen wie welke Blätter herab, nur noch da und dort an irgendwelchen osteoporösen Knochen fixiert – schauderhaft.

Den Bleistift-Busen-Test besteh ich zwar schon länger nicht mehr – aber dass jetzt ein ganzer Malkasten Platz hätte, betrübt mich denn doch.

Speiserestchen machen es sich mittlerweile gerne in den Zahnzwischenräumen gemütlich – wo vorher nicht mal die Zahnseide durchkam lagern sich jetzt unschön Petersilie und Nuss-Stückchen ab – alles, was besonders bunt und auffallend leuchtet. Sehr zur Freude meiner Zahnärztin, die so immer auf Trab bleibt.

Bei längeren Wanderungen komm ich ins Keuchen, die Hanteln scheinen heute schwerer als gestern und überhaupt, die Gefahren lauern überall – schon besser, man sperrt seine Haustür dreimal zu (und hängt noch ein Sicherheitsschloss davor, man weiß ja nie)

Und allmählich frage ich mich mit Schaudern: Was kommt da noch alles auf uns zu? Werde ich mich womöglich auch einmal mit Freude unters Messer legen, weil ich mich im Spiegel so gar nicht mehr wieder erkenne? Werde ich in einem Durchgang Fettabsaugen und Falten ausbügeln lassen (weil das Kombiangebot halt günstiger ist)? Ich dachte eigentlich, ich wäre ein bisschen wie Madonna oder Sharon Stone – so zeitlos und ewig jung aussehend, falten- und knitterfrei bis ins hohe Alter – oder haben die etwa auch bloß seit längerem schon nachgeholfen ?