Leben mit Diabetes

Es gibt chronische Erkrankungen, mit denen man lernen muss zu leben. Eine davon ist Diabetes, die sogenannte Zuckerkrankheit. „Diabetes heißt lebenslänglich, davon gibt es keinen Urlaub“, betonte die Psychologin Michaela Langer bei der Eröffnungsveranstaltung der Tagung „Psychische Aspekte bei Diabetes über die Lebensspanne“. Von 7. bis 9. September 2018 haben sich ExpertInnen in St.Radegund bei Graz zusammengesetzt und über den aktuellen Stand der Diabetes Forschung und Behandlung in Europa diskutiert.

Rund 600.000 Menschen sind alleine in Österreich vom Typ 2-Diabetes betroffen, immer öfter auch schon mit Beginn im Jugendalter. Diabetes ist eine Wohlstandskrankheit – nach dem Krieg war sie noch wenig verbreitet, heute spielt sie eine immer größere Rolle. „Der Diabetes-Tsunami wartet nicht“, so Hermann Toplak von der Med Uni Graz. „Alle 50 Minuten stirbt ein Mensch an den Folgen des Diabetes, das sind 10.000 Menschen jedes Jahr allein in Österreich.“ Und es werden zunehmend mehr werden, betont der Internist. Übergewicht bzw. Fettleibigkeit, generell schlechte Ernährung und Bewegungsmangel gelten als Hauptursachen für den Typ 2 Diabetes. „Der Diabetiker ist ein Lebensstilpatient“. Daher sei es wichtig, die Gesundheitskompetenz der Menschen zu steigern, so Toplak.

Dass es dazu dringend Schulungen braucht, darauf verwies Bernhard Kulzer, Fachpsychologe und Vorsitzender der AG Diabetes und Psychologie vom Diabetes Zentrum Mergentheim (D). „Diabetes ist nichts für Dumme“ zitierte er einen Spezialisten. Das Verhalten des Patienten ist bei dieser Erkrankung nämlich entscheidend. Es sind ausreichend Wissen und Kenntnisse nötig, um notwendige Schritte umzusetzen. Es braucht eine umfassende Aufklärung und Unterstützung bei Problemen im Zusammenhang mit der Erkrankung. Die Erhaltung der Lebensqualität und eine Integration von Therapiemaßnahmen in den Alltag sind wesentlich. Dafür müssen Behandler wie Patienten geschult werden. Bisherige Studien haben eine hohe Wirksamkeit von Diabetes-Schulungen belegen können – soll heißen: „Jeder hat ein Anrecht auf Schulung!“ Leider seien Schulungen (wie wohl Österreich und Deutschland in Europa weit vorne liegen), noch immer nicht so häufig bzw. selbstverständlich, wie es nötig wäre. Wobei Schulungen durchaus mehr sein sollen als reine Wissensvermittlung. Eine gute Diabetes-Schulung geht auf Ziele und Bedürfnisse der Betroffenen ein und hilft dabei, die gewonnenen Kenntnisse bestmöglich im Alltag umzusetzen.

Eine noch unterschätzte Gefahr bei Diabetikern sind Depressionen, die generell häufig mit chronischen Erkrankungen einhergehen. „Eine Depression beeinträchtigt die Selbstbehandlung in Bezug auf Blutzuckerkontrollen, Bewegung, gute Ernährung“, erklärte Norbert Hermanns, Psychodiabetologe vom Forschungsinstitut Bad Mergentheim. Die Risiken für Komplikationen als auch die Mortalität sind erhöht, die Lebensqualität vermindert. Als spezielle Risikofaktoren für depressive Störungen bei Diabetikern ortet Hermanns folgende Faktoren:

  • weiblich
  • alleine lebend
  • jüngeres Lebensalter
  • niedriger sozialökonomischer Status
  • Umstellung auf Insulintherapie

Er fordert eine umfassende Depressions-Diagnostik (und weiterführende Therapie) bei Diabetikern mittels klinischer Einschätzung, dem Einsatz der WHO 5-Wohlbefindenskala und weiterer Depressionsfragebögen sowie konkrete Screeningfragen vorweg. Auch er betont die Wichtigkeit von entsprechenden Diabetes-Schulungen, da diese auch Depressionen reduzieren und im Umgang mit Sorgen und Ängsten helfen würden.

Noch viele weitere Expertinnen sind an diesem Wochenende zu Wort gekommen. Deutlich geworden ist, dass Diabetes vielfach unterschätzt wird, auch Behandler oft noch zu wenig geschult sind im Umgang mit Diabetikern. Die Zahl der Erkrankten wird laut aller Prognosen weiter steigen.

Was jeder einzelne von uns auf jeden Fall dagegen tun kann: Gut auf sich selbst achten, sich Zeit nehmen für regelmäßige Bewegung, für hochwertige gesunde Mahlzeiten, wenig Alkohol, Stress vermeiden, sich Auszeiten gönnen, Freunde und Hobbies pflegen. Auch wenn es oft so banal klingt: das sind die Bausteine für ein gutes, gesundes Leben!

Um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung allgemein zu fördern hat sich Hermann Toplak seit langem stark gemacht für ein „Gesundheitsjahr“ in Graz – für 2021 sei es nun endlich fix geplant, berichtet er stolz: Graz soll zu „Health City“ werden!

Und noch eine Information: Die Österreichische Diabetes Gesellschaft setzt sich für Betroffene ein. Sie unterstützt Forschungsprojekte, will Wissen weitergeben und sich um eine bestmögliche Versorgung kümmern.

Auch die Österreichische Diabetikervereinigung bietet Informationen, gegenseitige Unterstützung, Erfahrungsaustausch, Einzelberatungen und Patienteninformationstage in allen Bundesländern.

Am Samstag, 20. Oktober 2018 findet in Graz von 09.45-16.00 Uhr ein Infotag für Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes statt. Der Eintritt ist frei!

Geboten werden vielfältige Vorträge sowie Blutzucker- und Blutdruckmessungen, Lungenfunktionstests, eine Ausstellung über Neuheiten für Menschen mit Diabetes, Ernährungsberatung u.v.m.

Ort: Steiermarkhof, Krottendorfstrasse 81, 8052 Graz

Weitere Information bzw. Anmeldung bei Elfriede Dörfler, ÖDV-Landesleitung Steiermark, Email: oedv.stmk@diabetes.or.at