
Gedankenspaziergänge – über das Schreiben
Ein Waldspaziergang gestern. Und intensive Gespräche übers Schreiben. Über das kulturelle Leben im Allgemeinen, ein künstlerisches Dasein im speziellen. Wie und wo kann man/frau sich verorten in diesem weitläufigen Universum? Wie und wo will ich mich verorten? Welche Position/en beziehen, wo andocken? Wie Neues schaffen, wo es nicht schon genug gäbe. Ideen wären da, wachsen allmählich wieder, noch grobe, unausgegorene, auszubrütende.
Du meinst, ich solle über diesen Prozess berichten. Ihn dokumentieren quasi. Du suchst den Erkenntnisgewinn, das Neue, Unerforschte. Wie ist es heute, wenn Kunstschaffende, Künstler*innen neu/wieder in den Startlöchern stehen? In die Welt hinausdrängen. Noch dazu in dem Alter!
Ein alter (Kultur)Hase und ein – nun ja, junges Küken bin ich wohl nicht mehr. Aus anderen Lebenswelten kommend. Im Austausch miteinander. Im Disput, um Worte ringend, um Verstehen, Verständnis, eine gemeinsame Sprache sich mühend.
Ich schreibe seit Kindheitstagen. Tagebücher (das Archiv umfasst rund 50 Jahre), Geschichten, Briefe, Essays, Portraits, Lyrik etc. etc. Lange Jahre habe ich als freie Journalistin gearbeitet. Anfangs hieß es immer nur: davon/damit kannst du nicht leben, nicht überleben. Du brauchst einen Brotberuf. Also habe ich mir einen Brotberuf gesucht… von dem es allerdings anfangs auch hieß: was willst du denn damit machen? Davon kann man nicht leben. Ich habe als Psychologin gearbeitet. Und als Journalistin. Zwei ziemliche brotlose Berufe dereinst. Mittlerweile beides anerkannt. Und wichtig. Durchaus als Grundpfeiler in unserer Gesellschaft verankert.
Und ich bin ausgestiegen. Aus beiden anfänglich so brotlosen Brotberufen. Ich will mich weiterhin mehrheitlich der Literatur widmen, meinen Texten, Prosa wie Lyrik.
Aber: Werte, Wünsche, Voraussetzungen, Vorgaben habe sich verändert. Die Kulturlandschaft hat sich verändert. Heute kann man/frau Autor*in als Beruf tatsächlich in Betracht ziehen. Überleben damit (gelegentlich zumindest). Es gibt Stipendien, Literaturpreise, Ausbildungen, Ausschreibungen, Workshops. Es gibt Lesungen, events, Förderungen, Buchprojekte. Es gibt social media.
Und ich? Die verzweifelte Frage von früher, von vielen Schreibenden nach welchem Verlag denn nun, die stellt sich derweil für mich nicht (mehr). Das soll nicht Lebensaufgabe sein – einen Verlag zu finden, der vielleicht das eine oder andere oder gar nichts davon publiziert. Aber was dann?
Kenne ich die Kulturlandschaft in der Steiermark, in Österreich, im deutschsprachigen Raum? Die Literaturlandschaft? Wohl kaum. Ziemlich unüberschaubar, das Ganze. Da will und kann ich mich auch gar nicht drüber trauen. Soll ja auch nicht meine Voraussetzung sein. Es gibt viele verschiedene Grüppchen, meine ich zu erkennen. Bekanntere Autor*innen, Kulturmacher*innen, professionellere, amateurhaftere, engagierte, Dauerbrenner, kurze Sternschnuppen, tiefsinnige, humoreske, strategische, chaotische, Selbstverliebte, Großauftretende, Stille, Lärmende, Unsichtbare, Dauerleuchten. Es gibt die, die das Sagen haben, die, die sich Nischen suchen, die, die ein Budget haben und die, die keines haben, die, die alles alleine machen, die, die sich zusammenrotten und -raufen, als Rudel auftreten. Es gibt den mainstream, den underground, die Avantgarde, Revoluzzer*innen, Newcomer, längst Verstorben- und wieder Ausgegrabene. Es gibt die Hoch-Geliebten und die Tief-Fallengelassenen. Ganz zu schweigen von den in-Vergessenheit-Geratenen.
Und noch einige mehr.
So. Und wo, bitte schön, kann und will ich mich da nun einordnen? Ähm. Nicht gerade verlockend, einladend, dieses Terrain. So auf den ersten Blick. Geschlossene Gesellschaft nur allzu oft. Andererseits: ein breites Spektrum. Platz für vieles.
Eigene Wege suchen. Kontakte. Netzwerke. Austausch. Im Kleinen. Es gibt sie wohl, die offenen Türen, die einladende Hand, das großzügige Entgegenkommen. Mentoring. Das Miteinander, das Teilen, das Zusammenarbeiten.
Wo mag ich also hingehören, mich wiederfinden? Und dann schließlich das Alter? Als über 60-Jährige durch die österreichische Literaturlandschaft brausen? Wahrgenommen werden? Sich Gehör verschaffen? Ha, lustig! So weit sind wir derweil noch nicht. Was mich aber nicht abhalten soll von meinem Tun.
Ich tue also weiter. Schreibe weiter. Auf meiner Homepage. Im Austria Forum, dem archipelischen Netzwerk, auf meiner neuen Seite VENUS.IM DIALOG, auf facebook. In Literaturzeitschriften, Anthologien, in der online-Welt. Überall, wo sich mir ein Plätzchen, Raum auftut…
Die Waldspaziergänge, die Gespräche, die Gedanken werden weitergehen. Wohin – das ist noch ungewiss. Ergebnisoffen.
—–kann fortgesetzt werden—–
(Veröffentlicht im Austria Forum, Juli 2025: karin | Volkskultur und triviale Mythen | Kunst und Kultur im Austria-Forum)

