
Corona, Klappe, die fünfte
Sonntag, 19. April 2020. Fünf Wochen haben wir bereits hinter uns. Fünf Wochen mit Ausgangsbeschränkungen, geschlossenen Lokalen, mit social distancing und Mund-Nasen-Schutz. Habe ich mich daran gewöhnt? An ersteres erstaunlich schnell, an letzteres noch gar nicht. Dabei wird ersteres bald vorbei sein, letzteres uns vermutlich noch sehr, sehr (Monate, Jahre, Jahrzehnte?) lange begleiten.
452 Personen sind laut aktuellen Berichten in Österreich an den Folgen des Coronavirus verstorben, 101 davon in der Steiermark. Ich sitze täglich vor den Nachrichtentickern und lese, was es Neues gibt. Der britische Premier Boris Johnson „erholt sich und ist gut gelaunt“ und in China haben viele Menschen durch zu wenig Bewegung und zu viel essen während der Isolation an Gewicht zugelegt. Allmählich spüre ich, wie das Interesse daran anfängt abzuflauen.
Ich arbeite daheim. Lese, schlafe, esse, gehe spazieren, mache Yoga, telefoniere mit Freunden, sitze in der Badewanne, gieße die Blumen. Fast wie sonst. Aber eben nur fast. Die Zeit ist rasend schnell vergangen. Ostern? Eine Sternschnuppe, die vorbeigezischt ist. Frühlingsbeginn? Nicht mehr fassbar, das Wetter spielt sowieso verrückt. Frost in der Nacht, kaum Regen, bis zu 20, 25 Grad tagsüber. Einzelne Bäume blühen wie wahnsinnig, Blütenmeere in Rosa, Weiß, Gelb, andere Büsche und Bäume stehen weiterhin nackt und kahl. Noch knappe 2 Wochen, dann sollen die Ausgangsbeschränkungen wieder (ganz, ein bisschen, mehr oder weniger?) aufgehoben werden. Die Wirtschaft ächzt und stöhnt, Industrien jammern, Fluggesellschaften brechen zusammen.
Es tut mir nicht um alles leid. Darf man das sagen? Es gibt vieles, das ich als Erleichterung empfinde. Bei manchem hoffe ich, dass es sich auch künftig ändern wird. Dieses zu viel, zu laut, zu schnell, zu überflüssig – das alles bräuchte ich nicht mehr. Ich wünsche mir mehr Stille, Achtsamkeit und Frieden auf dieser Welt, mehr miteinander, weniger Konsum und ja, weniger Wirtschaftswachstum! Wir könnten unsere Talente und Fähigkeiten doch dafür einsetzen, diese Welt zu einem Paradies für alle zu machen. Diesen Planeten bewohnbar, lebenswert zu erhalten, die besten Bedingungen für alle zu schaffen. Wir haben doch das Potenzial!! Setzen wir unsere Arbeitskraft doch künftig dort ein, wo sie uns allen nutzt. Wir hätten jetzt die Chance, eine Umkehr zu bewirken, das Ruder herumzureißen. Die Welt zu retten.
Ich habe viel nachgedacht. Was will, was würde ich ändern? In meinem Leben, meinem Alltag? Eine Vielfliegerin war ich sowieso noch nie. Aber künftig möchte ich alle Flugreisen streichen. Es geht auch anders. Ich versuche noch mehr als bisher, bewusst und wenig einzukaufen, Müll zu trennen, auf Schnickschnack zu verzichten, unnötigen Ballast abzuwerfen. Ich genieße unsere täglichen Spaziergänge. Das permanente Vogelgezwitscher tagsüber, das sonst im Verkehrslärm untergegangen ist. Ich vereinfache unseren Haushalt: weniger Putzmittel, selbermachen, was geht. Es macht mir nahezu diebische Freude, wenn ich wieder etwas entdecke, das ich nicht brauche, das ich besser und billiger und umweltschonender selber machen kann (auf „smarticular“ finden sich übrigens jede Menge praktische Tipps).
Ein wenig fürchte ich mich beinahe schon davor, wenn der „Alltag“ wieder losstartet. Werden wir etwas gelernt haben aus der Krise? Werden wir etwas verändern können? Haben wir die Chance genutzt?
