Essay & so

Geburtstag

Heute habe ich also Geburtstag. Ich bin 51 Jahre alt. Das vergangene Jahr lang konnte ich mich noch auf einem prächtigen runden 50er ausruhen – von dem aus man in alle Richtungen blickt, nach vor und zurück…. und alles scheint noch irgendwie greifbar, sichtbar, denkbar….

Nun habe ich diesen Wendepunkt also endgültig überschritten. Eine neue Zeitrechnung beginnt. Zeit, Bilanz zu ziehen.

Lebensmitte. Was habe ich bisher er- und gelebt? Welche Wünsche, Träume sind in Erfüllung gegangen? Welche musste ich – und will ich – nun endgültig begraben?

Ich habe vieles erlebt, bin auf Umwege geraten, in Sackgassen gelandet, habe unerwartete Höhenflüge, Neuausrichtungen erlebt. Im Nachhinein: wenig war wirklich geplant oder planbar. Aber ich habe mir allmählich ein Leben geschaffen, das zu mir passt. In dem ich mich wohl fühle. Auch wenn es ganz anders geworden ist, als ich einmal dachte.

Vielleicht auch anders, als es der üblichen, klassischen Norm entspricht. Doch, was ist schon die Norm? Mittlerweile. Es gibt so viele Lebensentwürfe, Möglichkeiten. Wir haben hier und heute die Freiheit zu wählen, uns zu entscheiden. Es gibt viele Wege. Und wir dürfen uns unseren individuellen, für uns passenden aussuchen.

Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich in meinem Leben 13x umgezogen. Mit Sack und Pack. Jetzt habe ich seit vielen Jahren endlich Wurzeln geschlagen. Habe mein Wohnumfeld gefunden, mir geschaffen, in dem ich mich wohl fühle. Ob ich für immer hierbleibe? Ich weiß es nicht…. Noch gibt es nichts, das mich wegzieht.

Ich hatte viele Arbeitsgebiete und Arbeitgeber, ich habe in sehr vielen verschiedenen Bereichen gearbeitet… vom Kellnern in der Studienzeit über PR- und Managementaufgaben, von der Werbeagentur über den Verwaltungsjob in die Projektarbeit… und natürlich immer, mehr oder weniger, mein Schreiben und seit bald 15 Jahren die Arbeit in meiner Praxis. Ich war lange Zeit selbständig, bin es auch heute noch und bin es gerne…

… dennoch: ich will auch wieder Neues ausprobieren. Mich neuen Herausforderungen stellen. Deshalb werde ich nun in Kürze für 2 Tage in der Woche auch in einer Klinik arbeiten. Ganz normal angestellt. Und nebenbei weiterhin meiner Selbständigkeit frönen…

Ich habe mein ganzes bisheriges Leben in Graz verbracht, habe immer nur hier gelebt – dennoch war es ein Nomadenleben… mit verschiedenen Beziehungen, verschiedenen Beziehungs- und Lebensmodellen, verschiedenen Wohnorten, in unterschiedlichsten Berufsfeldern, die Nase immer wieder in neue Interessensgebiete steckend. Ich bin gereist, habe neue Freundschaften geknüpft und manche Menschen wieder aus meinem Leben verloren… da, wo sich die Wege gar zu unterschiedlich entwickelten, der Spagat gar zu groß geworden ist….

Nun fängt also ein neues Zeitalter für mich an. Neue Themen, Fragen, Herausforderungen tun sich auf. Was ist mir wichtig im Leben? Was fehlt? Was muss nachjustiert, ergänzt, verändert werden? Was will ich unbedingt noch erleben?

Was früher mal unendlich, unbegrenzt erschien, ist nun endlich geworden. Vergänglichkeit wird zum Thema. Prioritäten verschieben sich. Es geht – schon lange – nicht mehr um Quantität (mehr, besser, schneller…), sondern um Qualität, darum, was wesentlich ist. Was es wert ist, ge- und erlebt zu werden. Was bisher aufgeschoben wurde – nun wird es Zeit: angehen, umsetzen… oder loslassen.

Ich habe es früher vielfach gehört, fast nicht geglaubt, jetzt sage ich es selber: Ich bin heute bei weitem glücklicher, zufriedener, gelassener mit und in meinem Leben. An manches denke ich mit Schaudern zurück – gottseidank überstanden! Es geht mir heute besser denn je….

Ich habe vielleicht nicht immer die richtige Entscheidung getroffen, habe vieles versäumt, vieles falsch gemacht, – aber das ist das Leben – ausprobieren, lernen, stolpern, hinfallen, sich aufraffen, „Krönchen richten“, weitergehen, eine andere Richtung einschlagen, es sich anders überlegen… es gibt keinen vorgegebenen richtig-falsch-Ratgeber für uns Menschen, jeder muss seinen eigenen Lebensweg finden… vielleicht ist das ja die größte Aufgabe im Leben….

Was ich mir vornehme für die Zukunft, für heute und morgen und künftig?

Noch viel mehr im Augenblick zu leben. Noch viel achtsamer werden, mehr genießen, mich in Gelassenheit üben. Offenbleiben für das Neue, das Unerwartete, das Unplanbare.

Mehr zuhören, zuschauen… und viel weniger urteilen.

Chancen ergreifen, die das Leben mir hinhält.

Keine Angst vor Fehlern haben. Ausprobieren statt nur theoretisieren.

Und immer wieder: mit anderen sein, mich in die Welt hinauswagen, auf andere zugehen, mein Herz öffnen, Vertrauen schenken, Gemeinschaft leben.

That´s it.