Essay & so

Nachdenken über die Freiheit

(Veröffentlicht: Die Feder, 2021)

 

Freiheit – was für ein großes Wort! Ein unendlich vielfältiger Begriff, der sich jeder einfachen Deutung entzieht. In allen Philosophien und Religionen, der Psychologie und Juristerei spielt sie eine entscheidende Rolle, die Freiheit, in allen Lebensbereichen ist sie letztlich Thema.

Ich will hier aber nur einen einzigen, winzigen Aspekt herausgreifen, nämlich: Meine Freiheit liegt im Jetzt. Das Gestern ist vergangen, vorbei. Das Morgen kommt erst, die nächste Stunde, der nächste Tag. Wer weiß, was wird? Wir können planen, wünschen, vorbereiten, uns vornehmen, hoffen…. aber es kann auch ganz anders kommen. Morgen oder übermorgen. Das haben wir in den letzten Monaten alle klar lernen dürfen. Meine Freiheit liegt im Moment. Jetzt kann ich handeln oder auch nicht. Jetzt kann ich lächeln, freundlich sein. Oder auch nicht. Jetzt kann ich die vor mir liegende Aufgabe erledigen. Oder weiter vor mir herschieben, mich ablenken. Jetzt kann ich essen, meinen Hunger stillen. Spazierengehen, einen Freund anrufen, die Arbeit aus der Hand legen. Egal, was es ist, im Jetzt kann ich entscheiden und tun. Oder eben nicht. Die Situation im Außen ist vielleicht vorgegeben. Aber: wie stehe ich dazu? Wie will ich damit umgehen? Wie mache ich das Beste daraus? Will ich überhaupt das Beste daraus machen? Jetzt? Kann ich jetzt etwas tun?

Manchmal erkennen wir auch, dass wir jetzt gerade nichts tun können. Nur annehmen. Akzeptieren, wie es ist. Loslassen. Der Moment zum Handeln wird vielleicht später kommen. Jetzt ist anderes gefragt. Die schönsten Pläne und Vorhaben für morgen und die Zukunft können den Bach runtergehen, wenn es sich das Leben anders überlegt, unser Alltag, die Bedingungen sich ändern. Darauf haben wir nur bedingt Einfluss. Was ich jetzt mache, wie ich jetzt reagiere, das kann ich entscheiden. Das ist meine Freiheit. Rege ich mich auf der Stelle fürchterlich auf über den lärmenden Nachbarn oder hole ich tief Luft, überdenke die Situation und überlege mir eine andere Reaktionsweise? Schalte ich jetzt Radio, Fernseher, alles ein, telefoniere lautstark und schlinge dabei die Fertigpizza hinunter? Oder nehme ich mir – jetzt – die Zeit, um alles aus der Hand zu legen, für Ruhe zu sorgen und mein Abendbrot zu genießen? Meine Entscheidung. Meine Freiheit. Und setze ich mich jetzt zum Schreibtisch, schalte den Computer ein und schreibe diesen Text. Vorgestern: keine Zeit, gestern: aufgeschoben, nicht morgen, nein, genau jetzt. Und weil ich ihn jetzt schreibe, diesen Text, fertigschreibe, können wir ihn nun, viel, viel später auf dieser Seite lesen. Das war meine Freiheit, dies zu tun, am heutigen Tag. Julia Cameron, die Grand Dame des kreativen Schreibens, bezeichnet es als die „Magie des Heute“, sie schreibt: „Das Leben wird Tag für Tag gelebt, aber viele von uns verirren sich aus dem aktuellen Tag in die Vergangenheit oder die Zukunft… Nur der Tag, in dem wir uns befinden, kann gelebt werden“. Was für ein schöner, mutmachender Gedanke. Jetzt und hier und heute lebe ich, habe ich maximale Freiheit, hier liegt mein Handlungsspielraum, meine Entscheidung. Was mache ich jetzt? Wie gestalte ich den Moment? Meinen Tag. Den heutigen Tag. Immer nur den heutigen Tag. Und: wie kann ich das Beste daraus machen?

 „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ (John Lennon)