Vom Persönlichen im Professionellen

Ein Buch, das ich sehr liebe, handelt auch von der Liebe: „Leih mir dein Ohr und ich schenk dir mein Herz – Wege zu einer glücklichen Liebesbeziehung“ von Sabine und Roland Bösel. Die beiden Paartherapeuten, die seit zwanzig Jahren miteinander arbeiten und seit über 30 Jahren ein Liebespaar sind, beschreiben in diesem Buch viele „beliebte“ Beziehungsthemen, an denen sich oft der Funke entzündet, der zu Konflikten, Streit, Disharmonie, Unglück, Trennung führt. Die Bösels greifen diese Themen liebevoll auf, versuchen dem Kern der Sache auf die Spur zu kommen und bieten in Folge wunderbare sehr konkrete Übungen und Methoden an, wie man damit bestmöglich umgehen kann. Allein deshalb ein spannendes, praktisches, lehr- und hilfreiches Buch…

Was mich aber darüber hinaus fasziniert an diesem Therapeutenpaar ist, dass es sich nicht scheut, eigene Konflikte und Themen anzusprechen. Jedes Kapitel wird sorgsam mit einer (konfliktgeladenen) Geschichte aus der ureigenen Liebes- und Beziehungwelt eröffnet – ja, man darf staunen: auch Profis sind nicht fehlerlos und perfekt und wissen immer und überall, wo es lang geht… auch Profis müssen (manchmal mühsam) lernen, scheitern, fallen hin, stehen wieder auf, gehen weiter… auch Profis haben private Probleme, erleben Kummer, Trennung, Schmerz… und sind manchmal ganz schön unprofessionell – und damit so menschlich wie alle anderen auch.

Es tut gut zu erleben, dass sich auch Experten nicht (mehr) hinter einer Fassade der unpersönlichen Unantastbarkeit verstecken müssen. Ich beobachte diesen Trend schon einige Zeit und freue mich darüber, dass nun auch verstärkt Persönliches, eigene Schwächen und Schwierigkeiten Einzug in die Fachwelt, ins Expertentum halten dürfen. Der von mir so geschätzte Martin Seligman, international bekannter Top-Psychologe, Forscher, Autor, Frontman der Positiven Psychologie, erzählt in seinem Buch „Flourish. Wie Menschen aufblühen“ viel von sich selbst. Er wird als Mensch hinter (und mit) seiner Arbeit sichtbar, er beschreibt seine Gedankengänge und Überlegungen, seine Eigenheiten, die Hintergründe seiner Tätigkeiten… und macht sich damit greifbar (und natürlich auch angreifbar – im wahrsten Sinn des Wortes).

Oder der Arzt, Autor und Kabarettist Eckart von Hirschhausen, der in seinem Bestseller  „Glück kommt selten allein“ von eigenen Irr- und Umwegen erzählt und auch mal private Fotos dazu stellt… ein Mensch mit Ecken und Kanten eben.

Profis sollen mit gutem Beispiel vorangehen, sie sollen Modell sein, glaubwürdig, authentisch – wer, wenn nicht sie sollen schließlich wissen, wie´s geht? Wer aber Ängste, Krisen und Krankheit nicht kennt (oder so tut als ob), kann auch nicht vorzeigen, wie man damit fertig werden kann. Wer dagegen erzählen kann, wie er oder sie selbst mit Schwierigkeiten fertig geworden ist, seine eigenen Methoden erprobt hat, der weiß offensichtlich, wovon der redet – der kann tatsächlich Hoffnung geben und Zuversicht.

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