Jänner 2024

Liebe Selma!

Du kennst mich nicht. Wie solltest du auch?! Du wurdest geboren vor 100 Jahren – 1924 – und hast diese Welt verlassen im Jahr 1942 – Zeiten des Krieges. Im Alter von 18 Jahren.

Ich wurde geboren im Jahr 1964, also genau 40 Jahre nach deinem Geburtsjahr. Und lebe noch. Trotz vieler Kriege & Grausamkeiten nach wie vor auf dieser Welt.

Ich kenne dich (auch) nicht. Kaum. Ein wenig vielleicht. Aber dieses Wenige, das ich von dir weiß, das ist mir durch und durch gegangen. Das hat mein Herz berührt. Das hat in meiner Seele Widerhall gefunden.

Vor vielen Jahren schon. 1985 habe ich dich entdeckt. Es sind und waren erstmal deine Gedichte. Diese poetischen Traumgebilde. Sehnsuchtsbilder. Die mich seit damals begleiten.

Am 15.8.1924 war dein Geburts-Tag. Mancherorts wird er auch mit 15.2.1924 datiert. Ich kenn die tatsächliche Richtigkeit nicht. Geboren in Czernowitz, Rumänien. Der historischen Hauptstadt der Bukowina. Du könntest heuer, in diesem Jahr 2024, deinen 100sten Geburtstag feiern.

Du kannst deinen Geburtstag nicht mehr feiern. Nicht in diesem Jahr und schon sehr viele Jahre nicht mehr. Du hattest nur wenige Geburtstage überhaupt, die du feiern (?) konntest.

Also möchte ich das ein wenig tun. Gemeinsam mit vielen anderen, die dich schätzen und ehren und dir die Treue halten – dazu später mehr.

Ich möchte dich mitnehmen in mein Lyrik- und Lesejahr. Du sollst bei meinen Lesungen Platz finden, gehört werden. Dein Buch soll aufliegen, auf dass die Menschen es in die  Hand nehmen und dich kennenlernen können.

Und ich möchte dir Briefe schreiben, Selma, jeden Monat einen. Ich möchte dich kennenlernen, mich dir annähern, mehr über dich erfahren. Und über deine wundervollen Gedichte. Die mich begleiten weiterhin. Ich möchte meins dazu beitragen, dir Gehör, Aufmerksamkeit zu verschaffen. Du sollst die Bühne bekommen, die dir gebührt. Die du nie hattest. Die LeserInnenschaft, das Publikum, das sich dir ebenso nähern darf und soll.

Du bist eine großartige Dichterin, liebe Selma – und ich wünschte, ich hätte dich kennenlernen dürfen. Ich wünschte, dir wäre mehr Zeit geblieben (gelassen worden!) – für dein, für überhaupt ein Leben. Um weiter deine Lyrik zu schreiben, in die Welt zu schicken, deine Worte zu formen, zu formulieren. Es ist ein Geschenk. An uns alle. Wir werden deinen Geburtstag im Jahr 2024 feiern, das nehme ich mir fest vor.

Du wirst mich bei meinen Lesungen und Ausflügen in die Welt der Lyrik begleiten, ich werde von dir erzählen, dir schreiben, und meines dazu beitragen, dass du unvergesslich bleibst. Ich habe dich schon in die sozialen Netze mitgenommen (eine neue Errungenschaft der Menschheit, die es zu deinen Zeiten noch nicht gab), Facebook, ich habe dich im Kreis meiner LyrikFreund*innen vorgestellt… und werde es weiterhin tun.

Am 16.12.1942 bist du in einem Arbeitslager gestorben. Krank und völlig entkräftet. Ein junges Mädchen, das stark und voller Kraft sein sollte, könnte, wurde zu Tode malträtiert. Was für eine unfassbare Grausamkeit. Zu der wir Menschen fähig sind.

57 Gedichte von dir sind der Welt erhalten geblieben. Danke dafür – und: verzeih.

Ich bin keine Kunsthistorikerin oder Geschichts- oder gar Literaturexpertin. Ich kann und will mich dir nicht von der wissenschaftlichen Seite, mit professioneller Expertise, ja nicht mal mit großer Sachkenntnis annähern.

Ich bin eine Frau, war Mädchen, bin Autorin und Lyrikerin von Herzen – aus dieser Sicht heraus will ich dir begegnen. Deinen Gedichten. Diese seelenvolle Lyrik. Was du zu sagen hattest, gehabt hättest. Wie dein Leben ausgesehen hat. Ich will mich auf Spurensuche begeben als Mensch. Als Mensch, dessen Herz du mit deinen Worten berührt hast. Noch lange nach deinem Tod.

 

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Ich fange an zu recherchieren. Dort und da. Das Netz bietet praktischerweise ja einiges.

Hier 2 Vertonungen deines Gedichtes „Trauer“ (6.12.1940 – lt. Jürgen Serke, 1984)

 

YouTube, November 2018
Iris Berben (Rezitation): SELMA MEERBAUM-EISINGER – TRAUER

YouTube, Jänner 2015:
Herbert Grönemeyer – The World Quintet: Trauer