Tanze Tango mit mir (Auszug)

Veröffentlicht: Klipp, Okt. 2013

Samstagnachmittag. Ich sitze im Café und warte auf Anastasia Ferrer.  Eine schmale, kerzengerade Gestalt betritt den Raum, kommt zielsicher auf mich zu. Eine elegante Schönheit, das schwarze Haar hoch aufgesteckt. Anastasia Ferrer ist international bekannte Tango-Tänzerin, Choreographin, Tangolehrerin.

Geheimnisse, Tabus und Mythen ranken sich um den Tango Argentino. Jenen Tanz, der wie kein anderer Melancholie, Leidenschaft, Erotik und die (unerfüllte) Sehnsucht nach Liebe in sich trägt. Das sind auch die immerwährenden Themen, die bei jeder ihrer Produktionen eine Rolle spielen. Denn Anastasia Ferrer hat sich dem Tango verschrieben – vor allem dem Bühnentango, der eine eigene Kunstform und in erster Linie harte Arbeit ist.

Anastasia bestellt grünen Tee, beginnt zu erzählen. „Ursprünglich  wollte ich ja  immer zum Zirkus“, lacht sie, diese Lust am  „in der Luft sein“, die habe lange gehalten, sei auch heute noch sichtbar – „ich liebe Hebefiguren im Tanz“. Geboren ist die Profi-Tänzerin in Bremen (Norddeutschland), doch die Familie zieht bald um nach Köln, später nach Hamburg. „Ich bin als Kind schon viel gereist, war in ständiger Bewegung, immer neugierig, an vielem interessiert“. Sie schafft die Aufnahmeprüfung für das strenge russische Ballettinternat Gsovsky in Schleswig-Holstein. „Damit war mein Leben vorprogrammiert“, meint sie heute. Nach intensiven drei Jahren Tanzstudium folgt 1985 das Tanzfachstudium in der „Königlichen Tanzakademie Brabant“ in den Niederlanden. Das sie nach fünf Jahren mit Erfolg – und einem Tango-Solo abschließt. Sie hat Luigi Zola, den Gran Maestro des Tango Argentino kennengelernt. Er hatte den Tango in Buenos Aires studiert und gemeinsam mit anderen in den 90er Jahren nach Europa geholt. Anastasia nimmt Unterricht bei ihm, fragt nach Abschluss ihres Studiums: „Kannst du dir vorstellen,  mit mir Tangotanztheater zu machen?“ – und legt damit den Grundstock für eine höchst erfolgreiche Zusammenarbeit.

Die beiden trainieren in Maastricht, gehen gemeinsam nach Antwerpen, wo aus ihrer Tanzpartnerschaft eine Lebens- und Liebesbeziehung wird. „Wir hatten viele Auftritte in Belgien, haben oft auch nur auf der Straße getanzt, mit CD-Player und schon ging`s los“. Sie erinnert sich lachend:  Einmal sei ein Bus mit einer argentinischen Fußballmannschaft vorbeigefahren. „Die haben sofort angehalten, alle 40 sind raus und  haben „Tango, Tango“ geschrien… und mich schon gepackt und rumgereicht, ich musste mit jedem tanzen“. Ihre Augen funkeln heute noch, wenn sie daran denkt.

Nach einer einjährigen Tournee in den Niederlanden ziehen Anastasia und Luigi 1993 nach Teneriffa. Sie bauen ein kleines Tanztheater auf, feiern viele Erfolge. Aber es sind vor allem ihre Tango-Auftritte, für die sie gerne und oft engagiert werden. Bei vielen Veranstaltungen, auch Regierungsverhandlungen präsentieren sie immer wieder ihre Tango-Shows. 2001 werden die beiden erstmals nach Graz  geholt – „weil wir Tango -Tanztheater auf internationalem Niveau zeigten, ganz anders als das, was man bisher hier gesehen hatte“. 2002 folgt das nächste Engagement in Graz – für einen vielumjubelten, von Ballettchef Darrel Toulon beauftragten Tango-Auftritt bei der Aidsgala im Grazer Schauspielhaus. Das Tango-Paar übersiedelt nach Graz. Auch wenn die Liebesbeziehung damals zerbricht, die Tanzpartnerschaft bleibt bestehen. Sie arbeiten mit der Tanzschule Kern-Theissl zusammen, es folgen Vorstellungen im Orpheum, im Schauspielhaus, Next Liberty, in der Oper. „Es ging Schlag auf Schlag, eine Produktion folgte auf die nächste“. Bis heute leitet die Tänzerin erfolgreich Tangokurse und Workshops in Graz, veranstaltet kleine, feine Tangoabende mit Showtanz und arbeitet an neuen Tango-Tanztheater-Produktionen.

Was für sie das Schöne am Tangotanzen ist? Die Seele komme in unserer Zeit meist zu kurz, befindet sie.  „Tanz und Musik befreien die Seele, lösen Empfindungen aus, Gefühle können in Bewegung umgesetzt werden“. Wobei der Geist die Schrittfolge vorgibt, der Körper sie ausführt und die Seele sie erlebt. „Tanz ist Kommunikation, man kommuniziert auf einer anderen Ebene“. Man lerne Grenzen kennen, fremde wie eigene und könne sich daran üben, diese zu erweitern. Das helfe schließlich auch in der persönlichen Entwicklung.

Heute ziehe es wieder mehr Männer zum Tango Argentino, erzählt sie. „Männer wollen sich sensibilisieren im Umgang mit Frauen, wollen neue Qualitäten entwickeln, an ihren Führungsqualitäten arbeiten“…