to the point, Kolumnen

Veröffentlicht: Rolling Pin (1992, 1993)

“die anderen sind wir”

ich weiß ja nicht, wie es anderswo zugeht, aber in vielen europäischen ländern diskutiert man zur zeit über den bedenklichen rechtsruck, die wachsende fremdenfeindlichkeit und die gewalt gegen andere, die anders sind als wir. kluge köpfe haben dabei schon längst entdeckt, dass hass und gewalt gegen andere viel mit der eigenen angst zu tun hat. angst vor dem fremden, dem unbekannten, dem neuen, dem andersartigen. auf den einfachen nenner gebracht: je mehr angst, desto mehr gewalt. aber das würde natürlich keiner zugeben.

und da gibt es noch so ein phänomen, dass in der sozialpsychologie ausführlich untersucht und behandelt worden ist: dass der mensch zu gruppenbildung neigt, wobei die eigenen gruppe meist die gute und die andere gruppe meist die schlechte ist. wer sich seiner identität nicht sicher ist, wer vor allem seine eigenen dunklen seiten (die jeder hat) nicht akzeptieren kann, der schiebt sie halt gern dem anderen in die schuhe.

schon ein säugling muß irgendwann lernen sich abzugrenzen, sich als individuum wahrzunehmen, das anders ist als seine mutter und sein vater. abgrenzung in gewissen rahmen ist nötig, sogar lebensnotwendig.

wenn ein mensch es aber nie richtig gelernt hat, sich seine eigene identität aufzubauen, sich seines individualismus bewusst zu sein, dann wird er alles fremdartige als bedrohung seiner eigenen, unklaren, diffusen identität auffassen. dann wird er die abgrenzung zu weit treiben. er muß alles bekämpfen, was nicht er ist, alles, was anders ist.

und anders sind immer die anderen. das problem dabei ist, das man selbst für jeden anderen immer der andere ist. damit wird man leben müssen.

to the point, rolling pin

„politik – was geht mich das an?“

abgesehen davon, dass lady di sich scheiden lässt, und bill clinton vermehrt minderheiten wie frauen, homosexuelle und schwarze an der regierung teilhaben lassen will, gibt es noch andere dramen, die die welt zur zeit erschüttern. religions- oder besser bürgerkriege, unruhen, hungerkatastrophen und auslaufende öltanker tragen dazu bei, dass unser erdball endlich in ein kleines paradies verwandelt wird.

es gibt wenige gastronomie- und hotelfachleute, für die politik mehr als ein abgedroschenes wort ist. verhungerte oder ermordete kinder, auslaufende öltanker, vergewaltigte frauen, verseuchte meere – mein gott, schrecklich, aber was geht mich das an? ich arbeite zwölf stunden am tag, das kann ich mich nicht auch noch um so was kümmern. klar, der gehaltsscheck am ende des monats ist wichtiger.

problematisch könnte es nur werden, wenn einmal ein hotel nach dem anderen zusperren muß oder in ein lazarett umfunktioniert wird, weil es a.) krieg gibt, b.) keine gäste mehr gibt, c.) kein geld für derartigen luxus mehr gibt, und / oder d.) die umwelt so zerstört ist, dass kein mensch mehr urlaub am „öl-schwarzen“ meer zwischen fisch- und vogelleichen machen will. aber man könnte die einstigen luxusherbergen ja irgendwann einmal  (falls die menschheit das noch erlebt) in museen verwandeln – wo unsere urenkel dann bewundern können, was es auf unserer welt einmal gegeben hat: „früher einmal haben die menschen nicht einmal sauerstoffmasken gebraucht, und es hat sogar noch echte tiere und so grüne pflanzen gegeben“.

… naja, man darf ja nicht zu schwarz malen.

to the point, rolling pin

“angebot und nachfrage”

weltweit beschäftigen sich wissenschafter seit geraumer zeit mit ihm. wie schaut er aus, was unterscheidet ihn von anderen, wo gibt es ihn, und vor allem, welche überlebenschancen hat er? der mann ´93! keiner von der alten, verstaubten sorte, dem die einstudierte knigge-höflichkeit aus dem mittlerweile schütteren haar tropft. auch keiner dieser möchtegern-machos, die sich ihr bis zur behaarten brust aufgeknöpftes hemd inzwischen wieder zugeknöpft haben, weil es den inzwischen gewachsenen bauchumfang so unschön betont. selbst dem karrierebewußten yuppie-typ ist mittlerweile die puste ausgegangen. und die vorübergehende zeiterscheinung des softie, der karriere, politik und revolutionen den rücken gekehrt hat, um sich an mamis beschützender brust auszuruhen, hat auch längst ausgedient. doch es raschelt vernehmlich im gebüsch. der theologe und philosoph paul m. zulehner ist den noch undeutlichen lauten nachgegegangen. was tut sich in der heimischen männerwelt? in einer österreichweiten studie hat er ihn gefunden: den neuen mann. selbstbewusst ist er und liberal, er teilt arbeitsplätze und hausarbeit gleichberechtigt mit den frauen. eine frau als boß ist für ihn kein problem mehr. um seine kinder will er sich auch kümmern, und nicht die ganze erziehungsarbeit den frauen in die schuhe schieben. sagt er zumindest. ob´s auch stimmt, das konnte uns paul zulehner nicht versprechen. das vielleicht entscheidende kriterium sind dabei möglicherweise wir frauen. denn: der markt wird immer noch  von angebot und nachfrage bestimmt. wenn genügend bedarf besteht, dann hat er vielleicht eine (über-)lebenschance, der neue mann. noch steckt er auf jeden fall in den kinderschuhen. wir können nur hoffen, dass er bald erwachsen wird….

to the point, rolling pin

single unterwegs

es ist jedes jahr dasselbe: bei den ersten frühlingssonnenstrahlen überkommt mich die unbändige reiselust. vom übermut gepackt eile ich ins nächste reisebüro, wo sich der verkäufer vor eifer beinahe überschlägt, um mir seine super-luxus-topangebote schmackhaft zu machen: da gibt es ein romantisches weekend in paris, oder diese traumhafte flitterwochen-kreuzfahrt durch die ägäis. vorsichtig erwähne ich die tatsache, dass ich eigentlich plane, alleine zu reisen. der reise-verkäufer erblasst. aber der mann ist geschult. nach einer schrecksekunde zaubert er wieder ein lächeln auf sein gesicht und meint charmant, in einigen der hotels gäbe es natürlich auch einzelzimmer, allerdings müsse ich mit einem zuschlag von 80 % rechnen. was wiederum zur folge hat, dass ich kurzfristig erblasse. dass dieser brocken noch das kleinste aller übel ist, merke ich zwei wochen später, als ich mich auf meinem trip durch die pazifische inselwelt befinde. in den hotels wird mir im gegensatz zu den verliebt-verlobt-verheirateten die besenkammer als schlafplatz zugeteilt. im speisesaal quetscht man mich erst zwischen ein griesgrämiges, älteres ehepaar, wobei mich die weibliche hälfte des duos nur noch misstrauisch fixiert, während ihr männlicher gegenpart sich mehr und mehr aufplustert wie ein gockel, ein anderes mal erhalte ich den katzentisch gleich neben der küchentür, die mir die eifrigen kellner in regelmäßigen abständen ans schienbein knallen. der boy an der rezeption scheint der irrigen ansicht zu sein, dass er mir unbedingt meine einsamkeit versüßen müsse, was sich an eindeutigen blicken und zuvielen händen auf meiner hose bemerkbar macht. eine beschwerde beim hotelmanager bewirkt, dass sich nun selbiger bemüßigt fühlt, mir die zwischenmenschlichen schönheiten fremder kulturen näherzubringen. und ich überlege mir ernsthaft, meinen nächsten urlaub wieder auf dem heimischen balkon zwischen petersilie und geranien zu verbringen.

to the point, rolling pin

“haben sie das nötig?”

gebratene rotkehlchen, schildkrötensuppe, oder schlangengulasch – auf manchen speisekarten wimmelt es nur so von außergewöhnlichen „spezialitäten“ „unsere gäste wünschen so exotische, extravagante speisen“, hört man von seiten der geschäftsführung. je ausgefallener und je teurer, desto besser.

und die restaurants richten sich ja bloß nach dem geschmack der gäste. der konkurrenzkampf ist halt hart. in italien hat der umweltminister jetzt ein machtwort gesprochen: schluß mit dem vogelmord. denn in italienischen restaurants zählen rotkehlchen, finken und andere singvögel zu den ganz besonderen spezialitäten. ein gesetz soll jetzt die jagd auf singvögel verbieten.

gastwirte und „feinschmecker“, die es nicht lassen können, ihr offensichtliches geltungsbedürfnis dadurch zu stillen, dass sie tun, was nicht jeder tut, müssen künftig mit saftigen strafen rechnen. was wahrscheinlich den reiz noch erhöht…

der hotelier beeinflusst mit seiner speisekarte durchaus den geschmack seiner gäste.

und der koch, der nicht fähig ist, mit den landesüblichen zutaten auszukommen, muß eben auf „exotische leckereien“ ausweichen.

damit aufsehen zu erregen und gäste anzulocken, ist kein kunststück. es gibt leider genug menschen, die gerne damit prahlen, im urlaub „katzenaugen auf seerosenpüree“ probiert zu haben.

aber haben sie als gastronom das wirklich nötig? als hotelier und gastronom bestimmen auch sie über neueste trends im kulinarischen bereich. haben sie das moralische rückgrat dazu? können sie es sich erlauben, ihren gästen keine „froschschenkel á la paris“ anzubieten? sind sie als koch so versiert, dass ihre gäste davon schwärmen können, wie delikat hier die üblichen fleischspeisen zubereitet sind? oder müssen sie sich mangels genügender kochkenntnisse auf gebratene singvögel spezialisieren?